Gesche Gottfried

"Engel von Bremen"

geb. 1785, gest. 1831

Land: Deutschland

aktiver Zeitraum: 1813 - 1827

Morde: 13

Gottfried, Gesche

Gesche Gottfried war die wohl bekannteste Giftmörderin ihrer Zeit. 15 Menschen wurden von ihr getötet, darunter ihre Eltern, ihre Kinder und ihre Ehemänner. Mindestens 19 weitere Bekannte haben ihre Attacken nur knapp überlebt. Ganz Deutschland und sogar Europa war geschockt über diese beispiellosen Taten.

Gesche Margarethe Timm wurde 1785 - gemeinsam mit dem Zwillingsbruder Johann - in Bremen geboren. Sie entstammte äußerst bescheidenen Verhältnissen, der Vater war Schneider, die Mutter Wollnäherin. Erst durch ihre Heirat 1806 mit dem wohlhabenden Sattlermeister Johann Miltenberg aus der vornehmen Pelzerstraße gelang der inzwischen 21jährigen der Aufstieg in großzügige und gutbürgerliche Verhältnisse. Die Ehe - nicht zuletzt auf Betreiben der Eltern Gesches arrangiert - war nicht glücklich: Der junge Miltenberg trank, führte ein äußerst "liederliches Leben in Kneipen und Bordellen" und brachte so das väterliche Vermögen durch. Durch ihn lernte Gesche ihren späteren Liebhaber, den Weinreisenden Michael Christoph Gottfried kennen, den sie nach dem Tode Miltenbergs 1813 (sozusagen die Premiere ihrer Mordserie) in zweiter Ehe heiratete und dessen Namen sie schließlich zu einiger Berühmtheit brachte.

Über die Ursachen, die die junge Frau zu ihren Morden veranlaßten, ist viel spekuliert und geschrieben worden, wirklich gelöst worden ist das Rätsel bis heute nicht. Am 1. Oktober 1813 vergiftete Gesche ihren Ehemann Miltenberg, wohl nicht zuletzt aus der Sorge heraus, von dem schwerkranken Mann mit dem unsoliden Lebenswandel irgendwann mittellos zurückgelassen zu werden. 1815, zwei Jahre später, fielen ihr gleich fünf Personen zum Opfer. Am 2. Mai die Mutter Gesche Margarethe Timm, am 10. Mai die dreijährige Tochter Johanna, am 18. Mai die sechsjährige Tochter Adelheid, am 28. Juni der Vater Johann Timm und schließlich am 22. September der fünfjährige Sohn Heinrich. Die Bremer zeigten viel Mitleid mit der vermeintlich so gramgebeugten Witwe, die innerhalb weniger Monate ihre sämtlichen nächsten Angehörigen verloren hatte. Im folgenden Jahr, 1816, tauchte unvermutet der längst verschollen geglaubte Zwillingsbruder, ein abgerissener und schwerkranker Soldat, wieder in Bremen auf. Er forderte - völlig zu Recht - seinen Anteil an den elterlichen Hinterlassenschaften. Gesche, die zwar nach außen hin stets solvent und wohl versorgt wirkte, aber verschwenderisch war und häufig unter drückenden Geldsorgen litt, tötete daher am 1. Juni auch ihn mit einer Portion gekochten Schellfischs, den sie zuvor großzügig mit Arsen vergiftet hatte.

Inzwischen zeigte auch die schon lang andauernde Affäre mit dem Freund ihres Mannes, Michael Christoph Gottfried, Folgen: Gesche wurde schwanger. Der Weinhändler Gottfried zögerte jedoch, die ihm längst unheimlich gewordene, sonderbare Frau zu heiraten. So erhielt auch er mehrmals Gift, wurde von ihr liebevoll gepflegt, und ehelichte Gesche zum Dank auf dem Totenbett. Er starb am 5. Juli 1817, inzwischen das siebte Mordopfer. Das gemeinsame Kind kam wenige Wochen später tot zur Welt. Damit waren ihre Giftvorräte zunächst einmal erschöpft. Die kleine Kruke mit "Mäusebutter", ein Gemisch aus Arsen und Fett, die sie einst von ihrer Mutter zur Ungeziefervernichtung erhalten hatte, war leer.

Einige Jahre kehrte nun so etwas wie Ruhe im Leben dieser notorisch unruhigen Frau ein. Die reputierliche Witwe Gottfried vermietete 1821 ihr Haus an der Pelzerstraße 37 und mietete sich in einigen Zimmern an der benachbarten, ebenso feinen Obernstraße ein. Doch die Geldsorgen blieben. Auf einer Reise nach Stade gab sie derweil aus Geldnot vor, bestohlen worden zu sein. Sie schwor dort kaltblütig einen Meineid (der die später um ihr Seelenheil bangende Mörderin während der Haftzeit arg verfolgen sollte), um sich aus diesen Verstrickungen zu befreien. Nach Bremen zurückgekehrt, verhieß eine weitere Verlobung neues Lebensglück, diesmal mit dem Modewarenhändler Paul Thomas Zimmermann. 1823 willigte sie in sein Werben ein. Gleichzeitig stieß sie durch ein Zeitungsinserat erneut auf die damals verbreitete "Mäusebutter", die sie sich von ihrer Magd und Freundin Beta Schmidt aus der Apotheke am Markt besorgen ließ.

"Um die Wirkung der Mäusebutter einmal zu erproben" - so ihre eigene Darstellung, schmierte sie ihrem Verlobten mehrmals ein wenig von der Substanz auf Zwiebäcke. Zimmermann starb am 1. Juni 1823, nach qualvollen Leiden. Sie konnte danach immerhin eine kleine Erbschaft antreten, da Zimmermann sie in seinem Testament bedacht hatte. Nun ging Gesche Gottfried dazu über, nahezu wahllos in ihrer engsten Umgebung kleinere, nichttödliche Gabe des verheerenden Giftes zu verteilen. Erst nach zwei Jahren - aber nach etlichen weiteren Vergiftungen - fand sie ihr zehntes Opfer: Die Musiklehrerin Anna Lucia Meyerholz, eine langjährige Freundin, erhielt das berüchtigte Gift auf Zwieback und erlag am 21. März 1825 ihrem Leiden.

Besonders lange mußte sich das nächste Opfer quälen: Der Nachbar Johann Mosees, auch ein langjähriger Freund und Berater, siechte nahezu ein Jahr dahin, immer wieder aufs Neue von Gesche mit Arsen traktiert, bis er am 5. Dezember 1825 endlich von seinen Schmerzen erlöst wurde. Inzwischen hatte die längst unter prekärster Geldnot leidende Gottfried das Haus an der Pelzerstraße an das Rademachermeisterehepaar Wilhelmine und Johann Christoph Rumpff verkauft, sich aber ein Wohnrecht ausbedungen. Sie zog erneut - nun mit den Rumpffs und deren Angestellten - in die Pelzerstraße, ließ sich von der Familie freundschaftlich als "Tante" titulieren, besorgte den großen Haushalt. Die letzte Phase der Giftmordserie, Gesche Gottfrieds "Götterdämmerung", begann. Die Rumpffs lebten nur kurze Zeit zufrieden und unbehelligt in dem Haus: Schon nach wenigen Monaten, kurz nach einer Entbindung , starb Wilhelmine Rumpff nach zweimaliger Gabe von Mäusebutter am 22. Dezember 1826; sie war das zwölfte Mordopfer Gesches. Zahllose und wahllose nichttödliche Vergiftungen folgten. Die Gerüchte in der Stadt über die unheimlichen Todesfälle wurden immer lauter. Doch noch geschah nichts.

Ein halbes Jahr später wurden die langjährige Freundin Beta Schmidt und deren dreijährige Tochter Gesches nächste Opfer. Am 13. Mai 1827 starb das Kind, die Mutter folgte ihr, nach unsäglichem Leiden, zwei Tage später. Wenige Wochen nach diesem doppelten "Schicksalsschlag" trat Gesche Gottfried eine Reise nach Hannover an. Dort forderte der Beschlagmeister Friedrich Kleine, ein alter Geschäftsfreund, von Gesche entliehenes Geld zurück. Verschuldet wie sie war, schien ihr die Begleichung der Schuld völlig ausgeschlossen. Mit einer Kruke Mäusebutter im Gepäck machte sie sich auf den beschwerlichen Weg in die Welfenmetropole, wurde in der Residenzstadt von Kleines freundlich empfangen. Sie vergiftete nun den Beschlagmeister, der am 24. Juli 1827 starb (als 15. und letztes Todesopfer), und behauptete nach dessen Tod gegenüber seinen Kindern, daß sie das geforderte Geld zurückgezahlt habe. Auch in Hannover verteilte sie - wie ihr in Bremen längst zur Gewohnheit geworden war - im Kleineschen Haushalt etliche nicht tödliche Arsengaben an die Familie des wohlhabenden Handwerksmeisters und an seine Entourage.

An die Weser zurückgekehrt, gingen die unzähligen Anschläge weiter. Rumpff, der Käufer ihres Hauses, und mehrere Angestellte erhielten nun häufiger kleine Giftdosen. Rumpff wurde endlich mißtrauisch, unglaubliche Gerüchte über das unheilvolle Treiben Gesche Gottfrieds waren ihm schon zur Zeit des Hauskaufs zu Ohren gekommen. Doch er hatte zunächst einmal alle Warnungen ignoriert. Als er dann eines Tages eine "weißliche körnige Substanz" an einem Salat entdeckte, zeigte er dies verwundert erst der Gottfried, dann einem Nachbarn. Während Gesche die Sache herunterspielte, warnte der Nachbar Rumpff nachdrücklich, nichts "von der Gottfried Zubereitetes" zu essen. "Wie toll" verteilte Gesche nun die Giftgaben, vielleicht ein unbewußter Schrei nach Entdeckung. Die "seltsame Krankheit des Erbrechens" in Gesches Umgebung war nun endlich nicht mehr länger von den Nachbarn zu übersehen. Kurze Zeit später tauchte die weißliche Substanz auf einem Schinken auf. Rumpff gab nun seine zögerliche Haltung auf und ließ seinen Hausarzt, Dr. Luce, den weißen Stoff analysieren. Dr. Luce - der selbst etliche von Gesches Opfern behandelt hatte und niemals argwöhnisch geworden war - stellte entsetzt eine "erhebliche Menge Arsenic" fest.

Damit war das furchterregende Spiel aus: Am Abend des 6. März 1828 wurde Gesche Gottfried verhaftet.
Fast drei Jahre verbrachte sie im Gefängnis und wurde in ihrem Verfahren zum Tod durch das Schwert verurteilt. Gegen acht Uhr morgens am 21. April 1831 war es dann soweit. Ein offener Wagen fuhr sie zur Hinrichtungsstätte. Ein letztes Glas Wein erhielt sie, an dem sie kurz nippte, reichte dann - ein eher ungewöhnlicher Vorgang - allen Richtern noch einmal die Hand. Dann führte Scharfrichter Dietz endlich den tödlichen Schlag mit dem Schwert aus. Gesche Gottfrieds Kopf wurde der vollkommen still verharrenden Menschenmenge nach allen Seiten gezeigt, der Stuhl mit dem Körper umgestoßen, der Leichnam dann in einen bereitgestellten Sarg gebettet und schließlich zum Gefangenenhaus zurückgebracht. Es sollte die letzte öffentliche Hinrichtung in Bremen sein.

Gesches abgeschlagener Kopf wurde in Spiritus eingelegt und im Museum am Domshof zugunsten eines Waisenhauses ausgestellt, ihr Skelett zunächst in einem Schrank aufbewahrt. 1912 befand sich das Knochengerüst im Pathologischen Institut der Städtischen Krankenanstalt, es verbrannte während des Zweiten Weltkrieges. Der Kopf der wohl berühmtesten Bremerin gilt seit 1913 als verschollen.

Autor: Dr. Dieter Fricke


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